Eine Einladung, zu erkennen, was dahinter steckt – und was Dich wieder zu Dir führt
Es klingt paradox, und doch ist es eine Realität für viele feinfühlige Menschen: Sie funktionieren ständig, weil sie glauben, dass genau dieses Funktionieren nötig ist, um sich wohlzufühlen. Denn wenn sie nicht funktionieren, dann bricht etwas zusammen. Im Aussen oder im Inneren.
Warum wir so oft funktionieren statt hinzuhören
Das Funktionieren erfüllt gleich mehrere Funktionen: Es hält den Alltag am Laufen. Es sichert Kontrolle. Es schützt vor dem Gefühl von Chaos im Aussen, aber vor allem im Inneren. Es sagt: „Ich würde ja für mich sorgen, ABER… wer erledigt dann dies und jenes? Wer schaut für die Kinder, die Tiere, die Mama, die Geschenke, den Einkauf, den Haushalt…?“
Für viele hochsensible Menschen ist das Funktionieren nicht nur Pflicht, sondern eine Überlebensstrategie. Denn wer sonst sorgt für Ordnung, Harmonie, Struktur? Wer sonst kümmert sich darum, dass das emotionale und praktische Gefüge zusammenhält? Oft sind es genau jene, die am feinfühligsten sind, die das Meiste tragen. Weil sie das Unstimmige spüren. Weil sie es nicht aushalten, wenn etwas offen oder ungelöst bleibt.
Wenn Kontrolle zur Selbstüberforderung wird
Hinter dem ständigen Funktionieren steckt oft ein tiefes Bedürfnis nach Sicherheit. Hochsensible Menschen haben ein feines Gespür für Disharmonie und versuchen, durch Ordnung im Aussen das Zuviel im Inneren zu regulieren.
Delegieren fällt schwer, weil andere es „nicht richtig“ machen. Weil sie Dinge nicht mit der gleichen Sorgfalt erledigen. Oder nicht mit derselben Rücksicht. Und wer hält es schon aus, wenn die Wohnung unordentlich ist und sich Besuch ankündigt? Eben.
So wird das Funktionieren zum Mittel der Wahl, um dem Chaos zuvorzukommen, selbst wenn es uns dabei selbst erschöpft. Denn nur wenn alles erledigt ist, kehrt Ruhe ein. Nur wenn alles unter Kontrolle ist, scheint Entlastung möglich.
Funktionieren statt spüren
Viele haben nie gelernt, was es bedeutet, mit sich selbst zu sein. In Stille. In Nichtstun. In einem Raum ohne To-Do-Liste. Denn dann könnte etwas auftauchen, das man lange weggeschoben hat:
- Bin ich gut, wie ich bin?
- Passt mein Leben noch zu mir?
- Lieben wir uns noch wie zuvor?
Und manchmal ist es nicht nur das Nichtwissen, sondern auch Angst. Angst davor, hinzuschauen. Angst, etwas zu erkennen, das wehtut. Denn wenn wir still werden, zeigt sich oft mehr als nur Erschöpfung. Da zeigen sich Sehnsüchte, die lange verdrängt wurden. Unerfüllte Bedürfnisse. Wünsche nach mehr Sinn und Tiefe im Alltag. Nach einem Leben, das sich wieder ganz anfühlt.
Doch diese Wünsche stehen manchmal im Widerspruch zu dem, was man sich aufgeladen hat. Zu dem, was „funktionieren muss“. Und so fällt es leichter, weiterzumachen, sich zu beschäftigen, alles unter Kontrolle zu halten, als wahrzunehmen, was eigentlich zu kurz kommt. Dann ist es einfacher, im Tun zu bleiben, sich in Aufgaben zu verlieren und den Alltag weiter aufrechtzuerhalten, als innezuhalten und zu spüren, was sich im Verborgenen zeigt und vielleicht schmerzlich erinnert, dass etwas fehlt.
Die stille Überforderung – und niemand sieht sie
Wer funktioniert, wirkt kompetent. Organisiert. Belastbar. Doch oft verbirgt sich dahinter eine stille Überforderung. Ein zu viel an Verantwortung, ein zu wenig an Selbstwahrnehmung.
Viele vergleichen sich mit dem vermeintlich „normalen“ Umfeld: „Ich bin doch gesund. Also sollte ich das alles tragen können.“ Oder: „Ich wollte ja Kinder und Familie, dann darf ich mich jetzt nicht beschweren.“
Diese Art des Funktionierens ist so subtil, dass man sie selbst kaum bemerkt. Und doch führt sie häufig zu chronischer Erschöpfung, innerer Leere, einem Verlust der Freude und dem Gefühl, irgendwie nicht mehr sich selbst zu sein.
Und was jetzt?
Der erste Schritt ist: Innehalten. Hinspüren. Wahrnehmen. Nicht alles muss sofort verändert werden. Nicht alles lässt sich sofort lösen.
Aber alles darf gefühlt werden. |
Was fehlt mir gerade? Was wünsche ich mir wirklich? Was würde ich tun, wenn ich wüsste, dass ich wichtig bin?
Du darfst beginnen, Dir zuzuhören und Dich ernst zu nehmen. Vielleicht hilft Dir ein Wunschboard, auf dem Du Sehnsüchte, Bilder, Worte sammelst, die sich gesehen fühlen wollen. Oder ein täglicher Check-in mit Dir selbst: Wo stehe ich gerade? Wo bin ich über meine Grenzen gegangen und wie könnte ich heute gut zu mir sein?
Selbstfürsorge beginnt oft nicht mit Tun, sondern mit Ehrlichkeit. Und manchmal reicht es, zu sagen: Ich spüre mich. Und ich höre mir zu.
Hinweis: Dieser Beitrag dient der Inspiration und ersetzt keine medizinische oder psychotherapeutische Beratung.